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Logbuch Isla Volant – Aquarell auf Papier 15 x 28 cm

Beitrag von Sarah Herwig für DRS2 aktuell

DRS 2 / litblogs.net / Taberna Kritika

Sarah Herwig: Wer seine Texte direkt ins Internet schreibt, hat viele Vorteile: Es geht schnell, es entstehen keine Kosten, der Umweg über einen Verlag fällt weg. Kein Wunder, ist das Internet eine Fundgrube für Literatur. Und die Formen sind vielfältig: Texte, die von einem Autorenkollektiv fortlaufend geschrieben werden, Hypertexte, die mit Links experimentieren oder literarische Weblogs – Seiten, wo Autoren in regelmässigen Abständen ihre Texte publizieren, die dann von Leserinnen und Lesern kommentiert werden können. Hartmut Abendschein ist Autor und Verleger und führt das literarische Weblog “taberna kritika” .

Hartmut Abendschein: Die Trennung zwischen dem Weblog und dem Kommentarstrang ist manchmal nicht einfach zu setzen – er wird miteinander gelesen oder verlesen und wenn sich da jemand von aussen einschaltet, dann gerät es aus den Händen des Autors – es wird vielstimmig.

Sarah Herwig: Eine Vielstimmigkeit, die die traditionelle Autoren- und Leserolle verwischt. Der Leser schreibt mit und der Autor ist oft nicht mehr klar als Urheber erkennbar. Es gibt anonyme Weblogs oder solche, hinter denen mehrere Autoren stehen … im Gegensatz zum Internet sind am Buchmarkt solche Fragen der Urheberschaft in der Regel klar. Auch durchläuft ein Text eine – wenn auch manchmal fragwürdige – Qualitätskontrolle. Etwa durch Rezensionen oder Bestsellerlisten.  Im Netz stecken solche Instanzen noch in den Kinderschuhen. Ausserdem lassen sich beim Rezensieren von Netzliteratur nicht die gleichen Kriterien wie im Print-Bereich anwenden: Wie wird man zum Beispiel dem Prozesshaften von Netzliteratur gerecht?

Hartmut Abendschein: Ein Buch ist ja per se abgeschlossen, das kann man in die Hand nehmen und rezensieren. Da das Weblog eine offene Sache ist und eigentlich nie in der ganzen Tiefe abgebildet werden kann, würde eine Rezension eines Weblogs automatisch ein falsches Ergebnis abbilden. Das kann eine normale Rezension nicht, beim Weblog ist es also extrem problematisch .

Sarah Herwig: Es gibt also noch kaum Rezensionen für Netzliteratur. Das stellt aber auch eine Freiheit dar: Literatur, die unter Buchmarktbedingungen keine Chance hat, findet einen Ort . Gedruckte Bücher werden ausserdem in Bibliotheken gesammelt. Wie ist das mit der Netzliteratur: Verschwinden alle diese Texte irgendwann im digitalen Nirwana oder gibt es da Archivierungsbestrebungen?

Hartmut Abendschein: Es gibt offizielle Versuche, die das unternehmen: Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach hat da ein Projekt eingerichtet, das heisst „Literatur im Netz“. Die versuchen tatsächlich, literarische Weblogs zu archivieren, und zwar nicht nur einfach sozusagen die Inhalte in irgendeiner Form, in irgendeinem Format abzulegen, sondern versuchen sozusagen die Linkstruktur und auch die Text- oder auch Oberflächenästhetik ‘Wie schaut es aus? Wie ist es gestaltet?‘ mit einzufangen und zu archivieren.

Sarah Herwig: Netzliteratur ist also kaum vergleichbar mit gedruckter Literatur, es ist eine eigene Gattung, die sich die spezifischen Eigenschaften des Internets zunutze macht.

Kategorie: Isla Volante · Literatur · Presse