Rittiner & Gomez

Bildermacher - Zeichner - Maler

Literarischer Monat

Online Spezial: Autobiographische Schweizer Comics?

Eine kleine Werkschau in der Schweiz

Von: Sabine Kulenkampff
Literarischer Monat

Menschen, das ist eine Trivialität, haben ein bestimmtes Bild von sich und der Welt, in der sie leben, und möchten auf eine bestimmte Weise wahrgenommen werden. Erzählen sie in autobiographischen Texten von sich selbst, versuchen sie natürlich, sich und die Welt auf eine bestimmte Weise darzustellen. Diese subjektive Sicht gerät nicht selten in Konflikt mit dem Wunsch der Leser oder Zuhörer, aufrichtige und authentische, an der anderweitig erfahrbaren Realität messbare Tatsachen zu erhalten. In autobiographischen Comics haben die Erzählenden neben Worten auch noch Bilder zur Verfügung, um die Leser von ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen. Visuelle Möglichkeiten des Offenbarens, Vertuschens oder Variierens der vermeintlichen Wahrheiten kommen hinzu. Einige ausgewählte Beispiele schweizerischer Comicautoren illustrieren, wie diese ihr Leben auf dem Hintergrund ihrer regionalen Identität darstellen – oder eben gerade nicht.

Rittiner&Gomez

Ebenfalls im Wallis finden wir uns wieder, wenn wir das wunderschöne Heft «Polenta» des fiktiven Zeichnerduos rittiner&gomez aus Spiez am Thunersee betrachten. Das Spiel mit der Wahrheit betrifft hier also schon die Person des Autors, sehr wirklichkeitsgetreu ist jedoch die graphische Erzählung selbst: Ein jährlich stattfindendes, reales Fest wird gezeichnet, «mit Köchen, Wölfen, Dohlen, Guggenmusik und Gästen in Simplon-Dorf», dem Heimatort von Anton Rittiner, der, um malen zu können, sich ein Alter Ego, Gomez, erfunden und zugleich wieder durch ein «&» zum «wir» verbunden hat. Er bewohnt die Schweiz, doch zugleich die imaginäre «isla volante», einen Ort des Friedens und der Kunst, situiert im Internet und ausgestattet mit einem eigenen Literaturpreis, zahlreichen Mitmachmöglichkeiten für Leser. In «Polenta» reichen wenige Sätze, die verschachtelte, einander ebenso ergänzende wie aufhebende Bilder begleiten, um eine fast fühlbar reale Wiedergabe des dörflichen Festes und der Gefühle des Erlebenden zu erreichen, obwohl dieser weder sichtbar ist, noch kaum je «ich» sagt. Bild und Text wurden, wie im «Vorspann» des «Projektes» vorausgeschickt, aber auch bewusst kombiniert, um eine fast mystische Stimmung herzustellen: «ein bergdorf in einer wilden landschaft, ein kulturelles ereignis, die leichtigkeit des fliegens und die geheimnisvollen wölfe, also alles, was man sich nur wünschen kann» – der Stoff, aus dem grosse Erzählungen sind.

sie sehen: autobiographisch, schweizerisch, komisch – das ist eine kombination, die wohl noch viel mehr als diese fünf varianten hervorbringt. es gilt, das genre zu entdecken.

Kategorie: Comics · Isla Volante · Presse